BdP Deutschland: Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt in der Vergangenheit

Der interkonfessionelle und überparteiliche Bund der Pfadfinderinnen und Pfadfinder (BdP) in Deutschland hat in den Jahren von 1976 bis 2006 eine dunkle Vergangenheit aufgearbeitet. Eine Studie, die vom Münchner Institut für Praxisforschung und Projektberatung (IPP) und dem Berliner „Dissens – Institut für Bildung und Forschung“ durchgeführt wurde, ergab, dass es mindestens 103 Betroffene sexualisierter Gewalt innerhalb des Verbands gab.

Die Studie identifizierte 36 überwiegend männliche Personen als Täter. Die Tatzeiträume fielen vor allem in die 1980er und 1990er Jahre. Es wurden zwei Prototypen von Tätern identifiziert: ältere erwachsene Pfadfinder und Jugendliche oder junge Erwachsene, die ihre Stellung als Leitungsfigur ausnutzten, um sexuelle Übergriffe zu begehen.

Als strukturelle Risikofaktoren innerhalb des Verbands wurden mangelnde Kontrolle und Anleitung junger Führungspersonen, informelle Machtasymmetrien und starke Loyalitäten von Kindern und Jugendlichen zu ihren Leitungsfiguren identifiziert. Besonders problematisch war die Abhängigkeit einiger Ortsgruppen von engagierten Leitungsfiguren, die ihre Machtpositionen missbrauchten.

Die Forscher stellten fest, dass es innerhalb des BdP eine ausgeprägte Mitwisserschaft gab, aber dennoch über sexualisierte Gewalt geschwiegen wurde, da es keine Sprache dafür gab und keine offene Kommunikation über das Thema stattfand. Eine Besonderheit des BdP im Vergleich zu anderen Institutionen war, dass dort auch sehr junge Menschen früh in Verantwortungspositionen kamen, teilweise jedoch selbst von Übergriffen betroffen waren.

Die Ergebnisse der Studie wurden vom BdP-Bundesvorstand als „schmerzhaft“ bezeichnet. Der Verband kündigte an, sich seiner moralischen Verantwortung stellen zu wollen und die empfohlenen Präventionsmaßnahmen auszubauen. Es soll außerdem Gespräche mit den Betroffenen sexualisierter Gewalt geben, um individuelle Lösungen für das erlittene Leid zu finden.

Der BdP zählt nach eigenen Angaben rund 30.000 Kinder und Jugendliche zu seinen Mitgliedern. Die Aufarbeitung der dunklen Vergangenheit ist ein wichtiger Schritt für den Verband, um für eine sichere Umgebung für seine Mitglieder zu sorgen und den Opfern von sexualisierter Gewalt Gerechtigkeit zukommen zu lassen.

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein